28. April 2013
Woran können andere Menschen erkennen, dass wir Christen sind? An unseren Gebäuden, unserer Kirche, unserem Pfarrhof? An unseren Gottesdiensten, an unseren Aktivitäten im kulturellen und sozialen Bereich, an unseren Organisationen, an unserer großen Spendenbereitschaft? All dies gehört dazu und hat seinen Wert. Ist das aber entscheidend? Jesus gibt uns heute die Antwort: „Daran wird man erkennen, dass ihr meine Jünger – also Christen - seid, dass ihr einander liebt.“ Diese Worte spricht Jesus am Ende seines Lebens, als er das letzte Mal mit seinem Freunden zusammen ist, kurz vor seinem Tod. Es geht also um sein Vermächtnis und um die Frage, wie es mit dem Freundeskreis nach dem Tode des Meisters weitergehen soll. „Liebt einander!“ Darauf kommt es an, das ist das alles Entscheidende. Es ist sein tiefster Wunsch und gleichzeitig sein Auftrag an uns alle.
Nehmen wir das ernst? Verstehen wir, was Jesus da sagt? Versuchen wir danach zu leben? Glauben wir daran, dass das das alles Entscheidende ist?
Auffallend ist, dass Jesus in dieser Szene im Johannesevangelium nur von der Liebe der Jünger untereinander spricht und nicht von der Nächstenliebe überhaupt. Er hat eine Gemeinde im Blick, die vor allem durch ihre vorgelebte Liebe überzeugen soll. Die Liebe zueinander soll ihr Güte- und Erkennungszeichen sein. Christen in einer Gemeinde erkennt man daran, wie sie miteinander umgehen. Eine christliche Gemeinschaft ist nur dann glaubwürdig und überzeugend, wenn sie eine Liebesgemeinschaft ist.
Hat Jesus die Latte da zu hoch gelegt? Ist das nicht eine Illusion, wenn man ins Alltagsleben einer Pfarrgemeinde hineinschaut?
Einander lieben, so wie wir sind, mit all unseren Unvoll-kommenheiten und Schattenseiten, das ist eigentlich nur möglich, wenn wir von einem Vorurteil ausgehen (das einzige Vorurteil, das wir Christen uns erlauben können und sollen): Jeder und jede von uns ist es wert, geliebt zu werden, weil jede und jeder von Gott geliebt ist, als liebenswert betrachtet wird. Das ist der Grund, warum wir also mit dem „Vorurteil“, von vornherein, mit der inneren Einstellung aufeinander zugehen sollen: Du bist es wert, geliebt zu werden. Das war auch die Einstellung von Jesus selbst. Und darum sagt er auch: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe!“
Damit meint Jesus natürlich nicht, dass wir einander dauernd umarmen sollen. Es geht hier nicht um billige, oberflächliche Gefühle, sondern um eine tiefe innere Einstellung, die sich in Worten und Taten äußert. Es geht darum, immer - von vornherein - auf das Wohl des anderen bedacht zu sein und es dort zu fördern, wo es mir möglich ist.
Der Apostel Paulus hat es in seinem 1. Korintherbrief so umschrieben: "Die Liebe ist geduldig und freundlich, hält sich fern von hektischem Eifer, von Dünkel und Frechheit, sie kennt keinen Eigennutz und keine Verbitterung. Heimtücke ist ihr genauso zuwider wie hämische Freude am Unrecht. Wer liebt, freut sich mit den anderen über alles, was gut ist. Wer liebt, kann alles vergeben, kann von Herzen glauben, inständig hoffen und alles ertragen". Man muss die gegenseitigen Schwächen und Fehler ertragen können! Und Jesus hat es anderswo, in der sogenannten „Goldenen Regel“ so formuliert: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen.“
Im Johannesevangelium verwendet Jesus öfter das Bild von der Freundschaft: „Größere Liebe als diese hat niemand, dass einer sein Leben gibt für seine Freunde.“ Diese freundschaftliche Liebe, dieses wohlwollend füreinander Dasein, ohne Hintergedanken, ohne Berechnung, schlicht und einfach, meint Jesus, wenn er sagt: „Liebt einander.“
Ist das ein Illusion? Können wir daran glauben? Es ist auf jeden Fall entscheidend für unsere Glaubwürdigkeit als christliche Gemeinschaft. Ist eine bleibende Aufgabe, die Jesus uns gibt, für jeden und jede Einzelne von uns.